Partnerschaft ein Weg zur deutsch-polnischen Verständigung

Eine Tagung des Pommerschen Kreis- und Städtetages in Hinterpommern

vom 17.-21.10.2008

Margrit Schlegel, PKST-Präsidentin

Vom Pommern-Zentrum in Travemünde fuhren wir mit einer großen Gruppe im Reisebus in die Heimat zu unserer diesjährigen verständigungspolitischen Tagung. Den ersten Halt machten wir am Hauptfriedhof in Stettin. "Der Hauptfriedhof hat heute eine symbolische Bedeutung. Er ist ein Denkmal der deutschen Stadtgeschichte Stettins, daher sollten wir seine Vergangenheit nicht verschweigen", so schreibt der polnische Autor Jerzy Wohl in seinem Buch über 100 Jahre Stettiner Stadtfriedhof mit dem Titel "Ein Denkmal der Stadtgeschichte".

Unter der Leitung von Dr. Horst Jeschke und dem Mitglied des Friedhofsvereins Renate Jachow sowie der Leiterin des Friedhofs besuchten wir zunächst den Gedenkstein der Stettiner. Bei einem Gang über den Friedhof fanden wir zahlreiche Gedenkstätten von deutschen Persönlichkeiten aus Stettin, u.a. auch den Gedenkstein von Dr. Hermann Haken und seiner Ehefrau. Im Urnenhain wurde eine Reihe wertvoller Grabsteine restauriert und wieder aufgestellt. Die Bemühungen auf dem Stettiner Hauptfriedhof das deutsche Kulturgut zu erhalten sind beeindruckend. Dr. Jeschke möchte sich für eine Gedenkstätte für die zahlreichen Bombenopfer Stettins einsetzen, denn diese fehlt hier.

Für den nächsten Tag stand das Seminar in Külz auf dem Programm mit interessanten Vorträgen deutscher und polnischer Referenten, die sowie die Diskussionen, simultan übersetzt wurden.

Nach der Begrüßung und Einführung in die Tagung durch die PKST-Präsidentin, begrüßte uns der Bürgermeister der Stadt Naugard. Außer unserer Gruppe waren zahlreiche polnische Kommunalvertreter, Lehrer und Schüler eines Naugarder Gymnasiums, der Leiter der Varziner Forstschule Dr. Peter Manka, von den deutschen Paten und Partnern der Landrat aus Northeim, die stellv. Bürgervorsteherin aus Heide sowie die polnischen Partner aus Schlochau und Naugard anwesend. Für den Schlesischen Kreis-, Städte- und Gemeindetag richtete ihr Vizepräsident Ulrich Erbe ein Grußwort an die Teilnehmer.

Unserer Einladung waren ebenfalls gefolgt, die Vorsitzenden der Deutschen Freundeskreise aus Stettin und Stolp Siebert Czeluszki und Detlef Rach.


Seminartag in Külz:
Zwischen PKST-Präsidentin und Vizepräsident: A. Kotula (Referent)

Andrzej Kotula hatte seinen Vortrag unter das Motto gestellt "Historische und kulturelle Lokalidentität als Ebene der deutsch-polnischen Verständigung".

Er ist u.a. stellv. Bürgermeister im heute polnischen Neuwarp. Das deutsche Altwarp liegt in Sichtweite von ca. achthundert Metern entfernt. Hier treffen sich nun die ehemaligen Einwohner von Neuwarp. Sie besuchen dann auch ihren Heimatort, gehen dort ihren Erinnerungen nach, und am Gedenkstein legen sie einen Kranz nieder und gedenken ihrer Toten. Ihre gemeinsame Vergangenheit verbindet sie, zumal damals fünfzig Familien geblieben waren –Bootsbauer und Fischer- bis sie nach einigen Jahren ausgewiesen wurden.

Bei der Spurensuche in der alten Heimat sind sie wenig an Kontakten zu den heutigen Bewohnern interessiert, obwohl diese, besonders die jüngeren unter ihnen, großes Interesse an der deutschen Vergangenheit zeigen. Die junge Generation hat hier längst Wurzeln geschlagen.

Alte Deutsche und junge Polen sollten über die Vergangenheit reden. Sie sollten alte Fotos zeigen und u.a. auch über die alten deutschen Straßenbezeichnungen sprechen.

Der Referent wohnt in Stettin, und für ihn war es wichtig den deutschen Namen seiner Straße zu wissen, so ist sie für ihn nicht anonym, das sei wichtig für seine eigene Identität.

Die Reste deutscher Friedhöfe sind für die Polen eine Herausforderung. Ihr Zustand bereitet ihnen ein schlechtes Gewissen. Man möchte die deutschen und die polnischen Geschehnisse während des Krieges festhalten und mit Offenheit und in Wahrheit die Geschichte gemeinsam aufarbeiten.

Einer unserer Teilnehmer, der bereits in den 1950er Jahren in Altwarp war, erinnerte sich an die Bemerkung eines Einwohners, der seine Heimat "drüben" hatte, er zeigte auf das heute polnische Neuwarp und meinte "Auch drüben liegt Pommern" und "do liegt min Hus", war der Ausruf eines anderen Neuwarpers.

Wir stellten fest, dass die junge Generation mit unseren schmerzlichen Erinnerungen an die Vertreibung, an den Verlust von Angehörigen und Heimat nicht belastet werden will. Die Landschaft hält die Treue, jetzt kommen die Menschen mit ihren Zielen: Verständigung und Versöhnung.

Ein Thema speziell für den Grenzraum ist die Sprache. Siegfried Wack, der ehemalige Landrat des Uecker-Randow Kreises und heute mit vielfältigen Aufgaben im Grenzraum betraut, sprach über " Sprachen erobern Herzen". Er beklagte den Weggang von jungen Leuten in Vorpommern, nicht nur durch die Schließung des Bundeswehrstandortes Eggesin. Er setzte sich für das Erlernen von fremden Sprachen ein, insbesondere die des Nachbarn. "Je mehr Sprachen man spricht, desto mehr Menschen kennt man", so lautet ein Sprichwort. Sprachen geben Grenzen ein Gesicht.

Bereits im Kindergartenalter beginnt der Unterricht der deutschen Kinder in der polnischen Sprache, in den Schulen steht sie ebenfalls auf dem Stundenplan. Über vierhundert Erwachsene haben sich im deutschen Grenzraum zum Kurs Polnisch an der Volkshochschule angemeldet. Gefördert werden diese Kurse für Kinder und Erwachsene vom Bildungsministerium des Landes M-V. Als Lehrer kommen junge polnische Lehrer aus dem Grenzgebiet nach Deutschland.

Die berechtigte Frage, erlernen polnische Kinder und Erwachsene in gleicher Weise die deutsche Sprache, muss leider verneint werden. Wie wir auch später von den polnischen Schülern hören, ist Englisch die bevorzugte Fremdsprache an polnischen Schulen.

"Zeitzeugen gesucht" Pawel Skubisz vom Institut für nationales Gedenken (IPN), unserer Gaugbehörde gleichgesetzt, berichtete über den Inhalt der Akten aus dem Archiv für Staatssicherheit, die über Übergriffe der Polen an Deutschen in Swinemünde in den Jahren 1945/46 berichten. Zu dieser Zeit befanden sich in der Stadt noch 22.000 Deutsche und 300 Polen, meist Vertreter der Verwaltung aus Warschau und Miliz. Die Kontakte zwischen Deutschen und Polen führen zu Streitigkeiten. Die Deutschen werden verhaftet, obwohl sie angegriffen wurden. Man vermutete in ihnen Mitglieder des nationalsozialistischen "Werwolf". Sie wurden in das Stadtgefängnis gebracht. In einem Protokoll von Januar 1946 wird geschildert "wie wir sie bestraft haben". Der Amtsleiter ist der Meinung "man sollte alle Deutschen erledigen".

Von Oktober 1945 bis März 1946 sind in einem Kontrollbuch in Stettin 36 Opfer verzeichnet. Der Referent verlas aus den Protokollen eine Beschreibung der Täter. Was waren sie für Menschen, warum haben sie gemordet? Alle waren jung zwischen 25 und 27 Jahren, der Amtsleiter war 40 Jahre alt. Ihre Lebensläufe berichten, dass alle Volksschulbildung hatten und zum Teil aus der 2. Klasse entlassen wurden, sie waren KZ-Häftlinge oder Zwangsarbeiter und in einigen Fällen waren die Väter von Nazis umgebracht worden. Das Gericht glaubte diesen Angaben und verhängte eine milde Strafe von 1,5 Jahren für acht Täter, der Amtsleiter erhielt acht Jahre Arrest. Sie wurden in Swinemünde und Köslin inhaftiert, einer von ihnen beging Selbstmord.

Wir waren betroffen von diesem Bericht eines Polen der so offen und ehrlich von den Gräueltaten seiner Landsleute berichtete. Um mehr Information von deutscher Seite ist er bemüht und sucht Überlebende. Wir kennen einen älteren Deutschen, der damals in Swinemünde dabei war, er musste bei seiner Entlassung versprechen, niemals darüber zu berichten, und er nimmt dieses Versprechen ernst, auch noch nach über sechzig Jahren!

Über die Partnerschaft des Landkreises Northeim zum heute polnischen Landkreis Schlochau referierten der Landrat aus Northeim Michael Wickmann und der stellv. Landrat aus Schlochau. Beide berichteten anschaulich über die Aktivitäten innerhalb dieser Partnerschaft, z.B. Überlassung von Feuerwehrautos aus dem Kreis Northeim, Jugendbegegnungen, Austausch von Lehrern von Berufsschulen. Das Göttinger Gefängnis hat neuerdings eine Partnerschaft mit dem Gefängnis in Schlochau, allerdings nur personell! Beide Referenten betonten, wie wichtig das Miteinander ist, das sie seit dem Jahre 2003 intensiv betreiben. Landrat Wickmann meinte : " Wer miteinander spricht, schlägt nicht aufeinander ein."

Ähnliches hörten wir von der Stellv. Bürgervorsteherin Telse Schirk aus Heide und von der Vertreterin des Naugarder Bürgermeisters über die Städtepartnerschaft Heide-Naugard, die seit dem Jahre 1996 besteht, und von vielfältigen Begegnungen in Heide und Naugard berichten kann. Zweimal im Jahr findet zwischen dem Gymnasium Heide Ost und dem Gymnasium Nr. 2 in Naugard ein Schüleraustausch statt, davon berichten Schüler und Lehrer aus Naugard, und zwar über die herzlichen Begegnungen, auch in den Gastfamilien in beiden Städten, aber ebenso über die anfänglichen Bedenken, die aber inzwischen ausgeräumt wurden. Eine herzliche Freundschaft wurde daraus.

Beide HKA-Vorsitzenden, Werner Panknin für Schlochau und für Naugard, Margrit Schlegel betonten, dass die Einbeziehung ihrer Heimatkreise ein wichtiger Teil der aus der Patenschaft sich entwickelnden Partnerschaft ist.

Bei einem herzlichen Empfang durch den Bürgermeister im Schlochauer Rathaus am nächsten Tag, wurde diese Feststellung noch unterstrichen.


Die Tagungsteilnehmer vor dem Schlochauer Rathaus

Auch in Schlochau hatten wir Gelegenheit mit einer Gruppe Schüler vom dortigen Gymnasium einen Gedankenaustausch zu führen. Unsere Frage, wie sie unsere Besuche in der Heimat sehen, beantworteten sie mit Verständnis. Schwerer taten sie sich mit der Antwort auf unsere Frage, was sie von der deutschen Zeit ihrer Heimat wissen. Im Elternhaus werde so gut wie gar nicht darüber gesprochen und auch nicht im Geschichtsunterricht. Der HKA-Vorsitzende versprach den Schülern einen Aufenthalt im Jugendlager in Deutschland, um so immer wieder neue Kontakte zwischen deutschen und polnischen Schülern herzustellen. Zu Beginn unserer Fahrt nach Schlochau erhielten alle Teilnehmer eine von Werner Panknin erstellte Infomappe über die deutsche Geschichte dieser Region sowie über die Ordensburg, die alles überragend die Gäste bei der Einfahrt in die Stadt begrüßt.

Am anderen Morgen starteten wir bei wunderschönem Herbstwetter zu einer Rundfahrt über die Insel Wollin. Hier zeigte uns der Vorsitzende des Heimatkreises Usedom-Wollin, Willi Krause, die Naturschönheiten "seiner" Insel. Später setzten wir dann mit der Fähre über nach Swinemünde, und an der Gedenkstätte auf dem Golm gedachten wir der Toten des 12. März 1945 mit einer kurzen Andacht, gehalten von Pastor Ulrich Erbe, dem Vizepräsidenten der Schlesier. Die blau-weiße Schleife des Kranzes trägt die Inschrift: "In Gedenken – Der Pommersche Kreis- und Städtetag und die Heimatkreise".

Anschließend fuhren wir nach Heringsdorf um im " Pommerschen Hof" zu Mittag zu essen.

Der Rückblick auf die Tagung mit dem Besuch des Stettiner Hauptfriedhofs, dem Seminartag in Külz mit den - nach Meinung der Teilnehmer- gut aufeinander abgestimmten Beiträgen der Referenten und den interessanten Diskussionen sowie dem Besuch von Schlochau und dem Kennenlernen der Naturschönheiten der Insel Wollin und unserem Gedenken auf dem Golm, wurde von allen Seiten positiv bewertet.

Die Präsidentin schloss die Tagung mit einem Dank an die Teilnehmer und an die Referenten, wobei es sich wieder einmal herausstellte, dass unsere Landsleute die besten Fremdenführer in der Heimat sind. Sie hob noch einmal hervor, wie wichtig für die Arbeit der Heimatkreise der Erfahrungsaustausch am Rande einer Tagung ist. Besonders die Teilnahme junger Leute und polnischer Kommunalpolitiker gibt diesem Seminar einen zukunftsweisenden Aspekt für die weitere Verständigungsarbeit des PKST und der Heimatkreise in Pommern. Mit dem gemeinsamen Gesang des Pommernliedes endete diese Tagung.
Der Termin für 2009 steht heute bereits fest, und zwar vom 1. – 5. Oktober in Hinterpommern.